Ein Leben für das Schauspiel

Bulat Atabayev war ein großer Theatermann Kasachstans. Über 30 Jahre lang beschrittt der Mitbegründer des Deutschen Theaters in Almaty einen unerschrockenen und nicht ungefährlichen Weg innerhalb der kasachischen Kulturlandschaft. Am 29. Juli 2021 verstarb Bulat Atabayev in seiner Heimatstadt Almaty, Kasachstan

Bulat Atabayev wurde 1952 in Kasachstan im Gebiet Taldykorgan geboren. Dort wurden zu Sowjetzeiten Familien der deutschen Minderheit zwangsangesiedelt. So kam Atabayev früh in Kontakt mit der deutschen Sprache und der deutschen Kultur. Nach der Schule entschied sich Atabayev für ein Germanistik-Studium an der Weltsprachenuniversität in Almaty, das er 1974 abschloss. Anschließend war er dort zwei Jahre als Dozent tätig. 1983 machte er seinen Abschluss an der Hochschule für Theater und Kunst in Almaty. In den 80er Jahren gehörte Atabayev zu den Mitbegründern des Deutschen Theaters in Temirtau und war bis 1991 als Regisseur dieses Minderheitentheaters tätig, das Anfang der 90er Jahre nach Almaty umzog. Es folgten Theateraufenthalte in Deutschland, bei denen er neue Impulse für seine Arbeit erhielt. Die Ästhetik und Form des deutschen Theaters haben Atabayev bis heute geprägt und beeinflusst.

Von 1991 bis 2000 war Atabayev Regisseur am Kasachischen Auezov-Theater. Auf die massive Einwanderung russlanddeutscher Aussiedler reagierten einheimische Deutsche zuweilen aufgrund von Vorurteilen ablehnend. In seinem deutschsprachigen Stück „Lady Milford aus Almaty“ (2000) thematisiert Atabayev das Schicksal einer deutsch-kasachischen Schauspielerin, die nach Deutschland emigrierte, in einem Dorf landete und keine qualifizierte Arbeit fand. Das Stück wurde sowohl in Deutschland als auch in Kasachstan aufgeführt und hatte eine wichtige Brückenfunktion für die deutsch-kasachischen Theaterbeziehungen.

Das von Atabayev inszenierte Stück „Muslima“ (1988), das in Kasachstan aufgeführt wurde, beschäftigt sich mit dem Drama und Völkermord der Wolgadeutschen zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Auch dies kein konformes Stück, da das Thema bis heute in der kasachischen Gesellschaft tabuisiert ist. Bis 2003 war Atabayev Dozent an der Kasachischen Nationalen Akademie für Künste Almaty und von 2004 bis 2007 Chefregisseur im Deutschen Theater Almaty. Seit 2005 ist er Regisseur und Leiter seines eigenen Theaters Aksarai, das er zusammen mit seinen Theaterstudenten  gründete.

Im Juni 2012 wurde Bulat Atabayev wegen „Anstiftung zu sozialer Unruhe“ verhaftet, weil er Ende 2011 für streikende Ölarbeiter in der Stadt Schanaosen öffentlich Partei ergriffen hatte. Die Verhaftung hatte deutschlandweit Proteste ausgelöst. Anfang Juli 2012 wurde Bulat Atabayev aus der Untersuchungshaft entlassen.

Er wurde im August 2012 in Weimar für seine Verdienste um das Theater mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Seit der Verleihung der Goethe-Medaille konnte er seine Heimat zunächst nicht mehr betreten, ohne mit Repressionen und Haft rechnen zu müssen. Seit dem lebte er in Köln und war Schirmherr, Kooperationspartner und Dozent der Schauspielschule Theaterakademie Köln.

Nach langer Krankheit verstarb Bulat Atabayev am 29. Juli 2021 in seiner Heimatstadt Almaty, Kasachstan, wohin er im März 2021 zurück gekehrt war.

 Zitate von Bolat Atabayev

„Das Deutsche Theater hat aus mir einen Regisseur gemacht“ (in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Januar 2011)

„Ich weiß, ich lebe im Land der ewig grünen Tomaten! Aber, bitte, keine Beileidsbekundungen! Bald  werden wir rot!“  (in:  Interview, Zeitschrift „Exklusive“,   2007)

„Wer in Europa weiß schon, wo Kasachstan liegt? Viele verwechseln uns mit der Mongolei. Aber das macht nichts. Es gibt ein Sprichwort bei uns: Leute, die mit einem Stein nach dir werfen, sollst du zum Essen einladen.“ (In: Interview, ZEIT Online, November, 2006)

„Die Gesinnungsgleichheit ist Merkmal der Kulturlosigkeit. Das Andersdenken ist natürlicher Zustand der Natur.“ (in: Respublika, Februar 2004)

Zitate über Bolat Atabayev

Über das Stück (Lady Milford aus Almaty)

„Regisseur und Autor Bolat Atabayev ist ein Meisterwerk gelungen. Er schmiedet aus Textpassagen des Klassikers ,Kabale und Liebe` von Schiller, langen Gesprächen mit den Schauspielern und gängigen Klischees und Vorurteilen der Deutschen eine Textkollage, einen Reisebericht in das Innenleben einer Heimatlosen. Ein Plädoyer für mehr Toleranz… Toleranz gegenüber dem scheinbar Fremden.“ (Nina Heimbach, Fränkische Nachrichten, Oktober 2000)

„Besonders beeindruckt hat mich, wie Bolat Atabayev, der kasachisch-russische Regisseur, der in der DDR Theater- und Filmwissenschaft studiert hatte, am Deutschen Theater in Alma Ata in Kasachstan sich für den russlanddeutschen Autor Viktor Heinz, seinen Landsmann und dessen dramatisches Standardwerk das Drama über das Schicksal der Russlanddeutschen ,Auf den Wogen der Jahrhunderte` eingesetzt hat, um es zur Aufführung zu bringen. Was ihm auch gelungen ist, so dass die Russlanddeutschen trotz der schwierigsten Bedingungen einer deutschen Minderheit in Osteuropa, gerade auf dem schwierigen Feld der Dramaturgie, eine Spitzenleistung vorzuweisen haben.“ (Interview mit Ingmar Brantsch zum 70. Geburtstag)

Produktionen

„Auf den Wogen derJahrhunderte“ von Viktor Heinz (1985)

„Der eigene Herd“ Andreas Sachs  (1987)

„Muslima“ (1988) auf Kasachisch und  Deutsch

„Die Kleinbürgerhochzeit“ von Bertolt Brecht (1990)

„Sag ich Abai…“ (1994)

„Die Möwe“ von Anton Tschechov (1997)

„Abylai-Chan“ von Abish Kekilbayev (1998)

„Ein Raetselmensch“ (1998)

„Lady Milford aus Almaty“ (2000) auf Deutsch

„Kyz Zhibek“ von Gabit Musrepov (2005)

„Karagoez“ von Mukhtar Auezov (2006)

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